Redschi in Fidschi

Bula Fiji! Für 4 Monate auf die andere Seite der Erde - von Deutschland nach Fidschi. Auf der Südseeinsel werde ich ein Prakikum beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen absolvieren. Dieser Blog soll für Euch und für mich als Tagebuch dieser hoffentlich spannenden Zeit dienen. Viel Spaß beim Lesen!

November 03, 2006

Ich kann's kaum fassen...

...aber auf Spiegel online wird tatsächlich über den möglichen Putsch berichtet. Leider stimmen manche Kleinigkeiten nicht (z.B. ist Fidschi nicht mikronesisch, sondern melanesisch) und der Artikel ist etwas überdramatisiert. Wir leben hier eigentlich ziemlich normal und heute, Freitag, ist alles ruhig gelieben. Trotzdem hier der Artikel:

Putsch-Alarm im Paradies

Von Jürgen Kremb, Singapur

Der Oberkommandierende der Fidschi-Inseln droht mit einem Militärputsch und einem Blutbad. Australien schickt zwei Kriegsschiffe. Erst Osttimor, dann die Salomoninseln, nun Fidschi - die als Idyllen verklärten Südsee-Länder verkommen zu gewaltgepeinigten gescheiterten Staaten.
"Wenn der Premier und seine korrupte Regierung nicht unseren Forderungen nachgeben und zurücktreten, dann wird es eben zu Blutvergießen kommen." An Deutlichkeit war die Äußerung, ausgestoßen von Fidschis Militärchef Voreqe "Frank" Bainimarama heute in Radio Neuseeland kaum zu überbieten. Im Klartext: Drei Tage noch, dann wird es auf dem Südseeatoll wohl den nächsten Militärputsch geben. Er wäre der vierte innerhalb von zwei Jahrzehnten.
Die Vorankündigung gab es nur, weil Bainimarama derzeit im Ausland weilt. Heute besuchte der Oberkommandierende der Streitkräfte des 840.000- Einwohner-Staates Truppenkontingente seines Landes, die im Mittleren Osten an Uno-Friedensmissionen beteiligt sind.
Aber schon morgen kann es auch ohne ihn losgehen. Für das, was die Armee euphemistisch "ein bevorstehendes Manöver" nennt, wurden von den äußeren Inseln des Archipels 3000 Reservisten zusammengezogen. Sie sollen morgen, am Freitag, in voller Montur durch die Hauptstadt paradieren - vorbei am Parlament, wo die Regierung unter Premier Laisenia Qarase ein von Bainimarama heftig kritisiertes Gesetzesvorhaben durchsetzen will.
Wie sämtliche Konflikte auf dem Vulkan-Atoll, das seine Unabhängigkeit von Großbritannien erst 1970 erlangte, gründet die gegenwärtige Krise auf ethnischen Spannungen. Sehr zur Verärgerung der einheimischen mikronesischen Urbevölkerung kontrollieren die mit den Briten eingewanderten Inder. Sie stellen mittlerweile knapp die Hälfte der Bevölkerung, kontrollieren längst den Handel, das Wirtschaftsleben und die Hochschulen. Die Einheimischen besitzen das Land und pochen auf ihre angestammten Besitzrechte.
Die Vorgeschichte: Als Fidschi sich 1987 zur Republik erklärt und daraufhin aus dem Commonwealth geworfen wird, erwirken die einheimischen Fidschis eine Verfassung, die Inder zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Ein Rat der Häuptlinge bestärkt sie darin. Darauf kommt es zur Massenflucht der Asiaten. Die Wirtschaft steht vor dem Zusammenbruch. Die umstrittene Reform wird zurückgenommen. 1999 erringt erstmals ein indischer Fidschi das Amt des Ministerpräsidenten, mit einer sozialistischen Labourregierung.

Jagd auf Bainimarama
Doch ein Jahr später besetzt George Speight, ein Rebellenkommandeur der Armee, mit seinen Anhängern das Parlament. Der Mann, der in den Medien mit traditionellem Wickelrock und sauber gebügeltem Jackett auftritt, trachtet dem Oberkommandieren Bainimarama, einem Inder, nach dem Leben. Dieser überlebt nur, weil er von der Hauptinsel flüchtet.
Die gefährliche Krise, in der das Land knapp am Bürgerkrieg vorbeischrappt, findet erst ein Ende, als Speight nach 56 Tagen vor ein Gericht gestellt wird. Doch Teil des komplizierten Friedensabkommens ist es, dass der Fidschianer Laisenia Qarase und seine "Vereinigte Fidschi Partei" (SDL) an die Macht zurückkehren.
Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, wann die offenen Gräben erneut aufbrechen. Für den Militärchef war die Schmerzgrenze überschritten, als sein Widersacher im Frühjahr dieses Jahres ankündigte, er wolle die Meuterer von 2000 endgültig rehabilitieren, darunter Speight. Schon kursierten Gerüchte von einer Rückkehr der Rebellen in die Politik. Eine angekündigte Reform der Rechte der Grundbesitzer, die Bainimarama bekämpft, ruft für viele Inder zudem Erinnerungen an die früheren neunziger Jahre wach, als sie de facto entrechtet wurden.
Wie aufgeheizt die Stimmung längst ist, zeigten die vergangenen Tage in der Hauptstadt Suva. Der Versuch von Premier Qarase, seinen Widersacher Bainimarama an der Armeespitze aus dem Amt zu jagen, scheiterten kläglich, als der Nachfolger in spe sich weigerte, den Posten anzutreten. Stattdessen bekundete er seine Solidarität zum bisherigen Amtsinhaber.
Daraufhin beschlagnahmte die Polizei 500.000 Schuss Munition, die eigentlich für die Armee bestimmt waren und in einem Lagerhaus im Hafen von Suva gefunden wurden. Man wolle die schriftliche Garantie, dass damit kein Putsch veranstaltet werde, verlangte Polizeichef Andrew Hughes. Eine Kraftmeierei, die freilich wenig Erfolg zeigte, denn die Armee holte sich ihr Schießzeug gewaltsam zurück. Dass Hughes auch noch Australier ist, verschärfte die Situation überdies. Denn jetzt fühlte sich Australiens Außenminister genötigt einzuschreiten. "Ein Militärputsch auf den Fidschi-Insel kann so schnell passieren, dass keine Zeit mehr für eine diplomatische Intervention bleibt", sagte Alexander Downer.
Kriegsschiffe mit Kurs auf Fidschi
Offenbar besteht in Australien wenig Bereitschaft, friedliche Lösungen in Betracht zu ziehen. Innerhalb von Stunden entschied der Nationale Sicherheitsrat, die zwei Fregatten "Kanimbla" und "Newcastle" Richtung Suva zu entsenden.
Offiziell wird das mit dem Schutz von etwa 7000 australischen Bürgern begründet, die auf den Fidschi-Inseln leben. Aber Australien fühlt sich längst zur Ordnungsmacht im Südpazifik ernannt - es hatte gerufen oder ungerufen an jedem Krieg der letzten 150 Jahre teilgenommen, erst an Seiten des britischen Kolonialherren und dann auf Seiten der Amerikaner.
Bisweilen beschert Canberra Ruhe und bewahrt vor unnötigem Blutvergießen. Denn in der Region herrscht längst nicht mehr die vermeintliche friedliche Idylle der Südsee. Viele Inselstaaten Melanesiens wie Osttimor oder Papua-Neuguinea und auch des östlich gelegenen Mikronesiens sind nicht viel mehr als "Failed States", gescheiterte Staatengebilde. Die Gesellschaften sind durch Rassen- und Stammeskonflikte gespalten, wie in Fidschi oder auf den Salomoninseln. Auf Papua-Neuguinea grassiert sinnlose Gewalt, die Aids-Epidemie hat längst afrikanische Ausmaße angenommen.
Aber wie bei Australiens Intervention im Jahre 2000 auf Osttimor taucht immer wieder die Frage auf, ob Canberra wirklich seine Elitetruppen nur zur Verteidigung der Menschenrechte schickt. Osttimor musste nach der Unabhängigkeit drei Jahre mit Canberra ringen, damit es einen gerechten Anteil an dem gigantischen Ölfeld erhielt, das in der See zwischen dem bitterarmen Zwergstaat und dem reichen südlichen Nachbarn liegt.
In Papua-Neuguinea fragen sich die wenige verbliebenen kritischen Journalisten längst, warum die Kolonialmacht von einst die jetzige Regierung stürzen will. Sind es wirklich die verheerenden Lebensbedingungen und die Menschenrechtsverletzungen - oder ist es das Interesse an den gigantischen Rohstoffen der riesigen tropischen Halbinsel?
Der Premierminister von Fidschi, Laisenia Qarase, hielt es deshalb auch für angebracht, den mächtigen Nachbarn im Süden zur Besonnenheit zu mahnen. Ein gemeinsamer Vertrag der Staaten in der Südseeregion, die so genannte "Biketawa Deklaration" verpflichtet die Nationen zwar zum militärischen Beistand im Konfliktfalle - auch Australien und Neuseeland. Aber noch sei es ruhig in Suva, sagte er. "Wirtschaft und Handel gehen ihre normalen Gang."
Offenbar fürchtet Qarase die Australier mehr als seinen großmäuligen Armeechef Bainimarama.

Quelle: www.spiegel.de